An einem Tag im Februar 2016 wachte die ugandische Journalistin und Bloggerin Ruth Aine Tindyebwa auf, bereit über die Wahlen in ihrem Land zu berichten. Mit im Rennen: Yoweri Museveni, ein Politiker, der seit Jahrzehnten das Amt des Präsidenten innehat.
Schnell wurde allerdings klar: Die Berichterstattung des Wahlvorgangs würde sich als schwierig erweisen. Tindyebwa musste bestürzt feststellen, dass die sozialen Medien, ihre wichtigsten Kommunikationsmittel, blockiert worden waren.
Tindyebwa und Millionen andere Einwohner Ugandas befanden sich mitten in einer von der Regierung angeordneten Sperrung der Social-Media-Dienste: Für 72 Stunden wurden vom 18. bis 21. Februar Dienste wie Twitter, Facebook und WhatsApp blockiert.
Was Tindyebwa erlebt hat, ist weltweit schon lange keine Seltenheit mehr. Laut AccessNow, einer Organisation, die sich für Rechte im Internet einsetzt, gab es innerhalb der ersten 10 Monate des Jahres 2016 in 18 Ländern, einschließlich Brasilien, Indien und der Türkei, 51 beabsichtigte Internet-Sperrungen.
Gemeinsam mit anderen Aktivisten und Bürgern musste Tindyebwa, um weiterhin arbeiten zu können, VPNs (Virtuelle Private Netzwerke) und andere Tools zur Umgehung der Sperrung verwenden.
Mozillas Kevin Zawacki hatte Tindyebwa im Sommer 2016 bei der Konferenz re:publica in Deutschland über Afrikanische Wahlen und Social-Media-Sperrungen sprechen hören und sich daraufhin mit ihr über ihre Erlebnisse unterhalten (und das über WhatsApp natürlich).
Kevin: Sie hatten also im Februar 2016 geplant, über die ugandischen Wahlen zu berichten und die Neuigkeiten in den sozialen Netzwerken zu veröffentlichen. Ist das richtig?
Ruth Aine: Ja.
Ruth Aine: Ich hatte den Wahlkampf bereits interessiert im Netz verfolgt, da alle Kandidaten Social Media effizient für sich genutzt hatten. Ich freute mich also definitiv auf eine Online-Berichterstattung der Wahlen.
Kevin: Was passierte als Nächstes?
Ruth Aine: Als Nächstes wachten wir auf und hatten keinen Zugang zu den Social-Media-Plattformen. Abhängig vom Netzwerk begann die Sperrung ungefähr um Mitternacht am Tag der Wahlen.
Kevin: Kam die Sperrung der sozialen Netzwerke denn überraschend? Und um welche Seiten handelte es sich genau?
Ruth Aine: Ja, das tat es. Wir hatten eine Blockade von Anrufen und SMS erwartet, aber nicht der sozialen Netzwerke.
Wir hatten eine Blockade von Anrufen und SMS erwartet, aber nicht der sozialen Netzwerke.
Ruth Aine: Hauptsächlich waren WhatsApp, Facebook und Twitter gesperrt.
Kevin: Der Durchschnittsbürger hatte also keine Möglichkeit, sich auf Facebook oder Twitter über die Wahlen auszutauschen?
Ruth Aine: Wenn sie keinen Zugang zu einem VPN-Client hatten, dann ja. Im Angesicht der Twitter-Demografie [in Uganda] gelang es allerdings vielen, sich trotzdem Zugang zu verschaffen.
Ruth Aine: Hauptsächlich waren also Leute wie meine Eltern betroffen, die nicht auf Twitter sind, aber WhatsApp nutzen.
Kevin: Denken Sie die Sperrung des Internets hat das Wahlergebnis beeinträchtigt?
Ruth Aine: Nein, das glaube ich nicht. Die Gründe dafür, dass die Wahlen so ausgegangen sind, wie sie es sind, liegen bei der Wahlkommission und ihrer Unfähigkeit.
Ruth Aine: Die Online-Bevölkerung beläuft sich auf rund 12 Millionen. Aber auf Twitter gibt es rund 400.000 aktive Konten. Facebook wiederum hat 1,8 Millionen aktive Konten. Daraus ergeben sich ungefähr 2,5 Millionen Menschen in den sozialen Netzwerken.
Kevin: Wie ist es den Leuten gelungen, die Sperrung zu umgehen?
Ruth Aine: Wir haben alle VPNs heruntergeladen.
Ruth Aine: Ein Freund hat mich an jenem Morgen angerufen und mir gesagt, was ich runterladen soll.
Ruth Aine: Andere haben TOR genutzt und TunnelBear war auch sehr beliebt.
Kevin: Was ist nach der Sperrung passiert? Gibt es nun Gesetze, die es wahrscheinlicher machen, dass so etwas noch einmal passiert? Oder welche, die es weniger wahrscheinlich machen?
Ruth Aine: Also, vor dem 9. Parlament wurde ein Gesetz eingereicht, welches es der UCC, der Uganda Communications Commission, erlaubt, die Netzwerke abzuschalten, wann immer sie es für notwendig befindet. Das 9. Parlament hat kaum darüber diskutiert. Im 10. Parlament wurde es bislang noch nicht besprochen.
Ruth Aine: Zusätzlich hatten wir eine weitere Sperrung während der Vereidigungszeremonie, was bedeutet, dass diese Sperrungen ein beliebtes Mittel sein werden.
Kevin: Gibt es in Uganda eine Bewegung, die versucht, das Gesetz zu ändern und das Internet offen zu lassen?
Ruth Aine: Meiner Meinung nach gab es bisher noch keinen zufriedenstellenden Austausch darüber, wie es weitergehen soll. Beide Male wurden die Sperrungen von anderen Ereignissen in den Hintergrund gerückt. Wir reden dann über alles andere, nur nicht über die Sperrungen. Anfänglich gibt es verärgerte und empörte Stimmen, aber dann geht das Leben immer schnell wieder weiter.
Ruth Aine: Und ich glaube, genau das ist das Problem. Es gibt ein paar zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für die Interessenvertretung einsetzen, aber wir könnten mehr machen.
Kevin: Was würde denn einen Unterschied machen? Mehr Nachrichtenbeiträge? Mehr Einsatz?
Ruth Aine: Ich weiß es nicht, um ehrlich zu sein. In jedem Fall brauchen wir mehr Gespräche und mehr Einsatz, weil die Regierung noch immer nicht die Rolle und den Nutzen des Internets versteht. Wenn dem nicht so wäre, würden sie es auch nicht als Feind ansehen, den man ausschalten muss. Außerdem benötigen auch sie das Internet. Ein Paradebeispiel: Während der Sperrungen waren auch die Twitter-Accounts der Regierung noch aktiv. Das heißt, die Regierungsbeamten haben ebenfalls VPNs benutzt.
Kevin: Vielen Dank, Ruth, dass Sie Ihre Geschichte mit uns geteilt haben.
Ruth Aine: Gern geschehen.
[Das Interview wurde am 10. August 2016 durchgeführt und der Verständlichkeit halber redigiert und gekürzt.]