Warum gibt es nicht mehr Programmiererinnen?

Im Gespräch mit Melissa Sariffodeen, Mitbegründerin und Geschäftsführerin der kanadischen NPO „Ladies Learning Code“

Lauren, ein 11-jähriges Mädchen in Calgary, hat vor Kurzem ihr eigenes Robotik-Unternehmen gestartet. Latasia, 12, hat eine augenöffnende Webseite programmiert, deren Ziel es ist, der Gewalt gegenüber indigenen Frauen in Kanada Einhalt zu gebieten.

In einer Welt, in der die MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) und Studiengänge in Computerwissenschaften routinemäßig von Männern dominiert werden, sind Lauren und Latasia Ausnahmen. Die Mädchen haben noch eine weitere Gemeinsamkeit: Beide sind Absolventinnen von Ladies Learning Code.

Die gemeinnützige, kanadische Organisation „Ladies Learning Code“ (LLC, Frauen lernen Programmieren) arbeitet daran, die Chancengleichheiten für Frauen im Netz zu verbessern. Daten zur digitalen Integration sind oftmals bestürzend und entmutigend: In fast allen Ländern übertrifft der Prozentsatz der männlichen Internetnutzer bei Weitem den der weiblichen. Von Ländern wie Japan und Deutschland bis nach Marokko und in die Türkei, überall sind mehr Männer online als Frauen.

Ladies Learning Code versucht dies zu ändern. Mit 29 in Kanada verteilten Arbeitsstellen hat die Organisation bereits über 40.000 Schülern das Programmieren mit HTML, CSS und Python sowie Webdesign und andere digitale Fertigkeiten beigebracht. Zweiundneunzig Prozent von ihnen sind laut eigenen Angaben Frauen oder Mädchen.

Mozilla hat sich kurz nach dem fünften Geburtstag der Non-Profit-Organisation mit Melissa Sariffodeen, der Mitbegründerin und Geschäftsführerin von Ladies Learning Code, unterhalten.

Code-Mobil von LLC. Foto von Pam Lau.

Mozilla: Ein großer Teil der Arbeit von LLC besteht darin, Mädchen die MINT-Disziplinen näher zu bringen. Denken Sie, dass Ihre Organisation zusätzlich zur ihrer lehrenden Funktion auch der Interessenvertretung dient?

Melissa: Wir haben zwar auch gemischte Programme – aber Frauen und Mädchen sind auf jeden Fall unser Hauptfokus. Ich würde nicht behaupten, dass wir uns als eine Organisation der Interessenvertretung darstellen. Dennoch arbeiten wir inzwischen immer öfter mit örtlichen Abgeordneten und Regierungsbeamten zusammen, um systematische Probleme zu bekämpfen. Wir setzen uns auf jeden Fall für Frauen und Technologie ein und unterstützen diese. Allerdings haben wir erst kürzlich angefangen, uns um einen größeren Einfluss zu bemühen.

Mozilla: Treffen Sie oft auf Mädchen, die annehmen, Programmieren sei nur etwas für Jungen?

Melissa: Ja, das tun wir. Gerade gestern gab es ein paar Mädchen, die vorne im Klassenzimmer saßen und sagten: „Ich kann das nicht“. Daraufhin fragten wir: „Warum denkt ihr das?“ Wir stellen immer häufiger fest, dass Mädchen seit Langem erzählt wird, Technologie sei nur etwas für Jungen.

Wir stellen immer häufiger fest, dass Mädchen seit Langem erzählt wird, Technologie sei nur etwas für Jungen.

In den ersten 40 Minuten waren sie verschlossen und wollten es nicht versuchen. Am Ende des Unterrichts hingegen waren beide Mädchen begeistert. Sie hatten großartige Websites kreiert und waren wie verrückt dabei, den Stil zu bearbeiten. Sie waren ganz aufgeregt und wollten gar nicht mehr gehen. Es dauert nicht lange, bis man den Wert des Programmierens erkennt – das stellen wir in unseren Programmen jedes Mal von Neuem fest.

All unsere Programme, die wir speziell für Mädchen veranstalten, hängen wir an der Frage nach dem „Warum“ auf. Es wird nicht gefragt „Wie programmiere ich?“, sondern „Warum programmiere ich?“

Eine LLC-Schülerin. Foto von Cheryl Stephenson.

Mozilla: Auf globaler Ebene wird das Internet in fast allen Ländern häufiger von Männern als von Frauen benutzt. Können Sie erklären, was dahinter steckt?

Melissa: Als die ersten PCs auf den Markt kamen — zu Zeiten des Apple SOS — hat es einen Zeitpunkt gegeben, an dem entschieden wurde, Technologie wäre geschlechterspezifisch. Um es der einen Gruppe schmackhafter zu machen als der anderen. Ich glaube, dort fand der massive Rückgang von Frauen in der Technologie statt. Danach kann man die Lücke sehen. Technologie ist stark für Jungen ausgerichtet und ich glaube, das liegt am System.

Das sehe ich auch in unserer Gemeinschaft. Die Eltern bringen ihre Söhne zu gemischten [Technologie-]Lagern, aber nicht ihre Töchter. Das ist sehr sehr weit verbreitet.

Doch ich sehe, dass eine Veränderung stattfindet. Ich sehe, wie beliebt unsere Programme im ganzen Land sind – wir können uns kaum vor Anfragen retten. Auf der Welt gibt so viele Programme, die dem unseren ähneln und Mädchen frühzeitig ermutigen, der Technologie nachzugehen.

Dieses Interview wurde aus Gründen der Klarheit überarbeitet und gekürzt.