Stell Dir einen typischen Tag im Internet vor: Du fängst damit an, Deine Nachrichten und E-Mails zu checken, scrollst dann im Bus durch Twitter und lädst ein Foto von Deinem Morgenkaffee auf Instagram hoch, auf dem Du das Café taggst. Zum Mittagessen schaust Du Dir an, zu welchen Zeiten der Film im Kino läuft, den Dir ein Freund auf Facebook empfohlen hat, und vergleichst die Preise für ein neues Paar Schuhe, auf das Du schon länger ein Auge geworfen hast.
Das sind zwar nur ein paar Webseiten, aber jedes Mal, wenn Du ins Internet gehst, hinterlassen Deine Aktivitäten Spuren. Hinter den Kulissen gibt es eine Reihe von „Drittanbietern“ – Instanzen, die unabhängig von den Seiten sind, die Du besucht hast –, die Deine Aktivitäten tracken und Deine Daten sammeln können, während Du im Internet surfst. Später am Tag werden dir langsam empfohlene Tweets zu diesem Film, Webanzeigen zu den Schuhen und Vorschläge, welche Kaffeesorten Du noch ausprobieren solltest, angezeigt. Das ist kein Zufall, sondern das Ergebnis von Tracking, also Aktivitätenverfolgung mithilfe gesammelter Daten.
Datensammlung ist nicht immer etwas Schlechtes. Webseiten speichern Deine Daten oft, um Deine Interaktionen mit ihnen persönlicher und besser zu gestalten. Hierfür benutzen sie sogenannte „First-Party-Cookies“, kleine Dateien im Browser, um sich Deine Spracheinstellung, Layout-Präferenzen oder den Inhalt Deines Warenkorbs zu merken.
Drittanbieter hingegen arbeiten mit solchen Webseiten zusammen, um durch weitere Tracking-Methoden – wie zum Beispiel ihre eigenen Cookies und Zählpixel – aufzuzeichnen, was Du im Internet liest, worauf Du klickst, welche Seiten Du besuchst. Diese Art der Datensammlung, von der Internetnutzer nichts merken, sagt nicht nur etwas darüber aus, auf welchen Webseiten Du unterwegs bist. Sie zeichnet ein vollständiges Bild von Dir, von Deinen Vorlieben bis hin zu Deiner Persönlichkeit. Werbetreibende nutzen diese Daten, um Dich überall im Internet und auf Deinem Smartphone mit ausgewählten Werbeanzeigen zu füttern.
Gerade in sozialen Netzwerken und auf Medien-Webseiten ist es schier unmöglich, Online-Werbung zu vermeiden. Es steckt eine gewisse Logik dahinter: Die meisten Online-Unternehmen und -Publikationen finanzieren sich hauptsächlich auf diesem Weg. Ein großer Teil des Internets funktioniert über Werbung. Zwei der größten Unternehmen auf dieser Welt, Facebook and Google, bestreiten ihre Einnahmen sogar fast vollständig aus Werbung. Und auch Nachrichten- und Unterhaltungsmedien greifen auf Werbung zurück, um den Journalismus und die Erstellung von Online-Inhalten zu finanzieren.
Auch Online-Werbung ist nicht automatisch schlecht. Auf der einen Seite soll Aktivitätenverfolgung nützlichere, relevantere Werbeanzeigen ermöglichen. Auf der anderen Seite geben viele Werbetreibende den Internetnutzern allerdings wenig Kontrolle und Wahlmöglichkeiten darüber, welche ihrer Daten gesammelt werden. Dein Verhalten im Netz wird manchmal von Informationsvermittlern gesammelt, die in der Lage sind, anonymisierte Online-Daten mit personenbezogenen Informationen zu verknüpfen (also Angaben, die du auf einem Formular, in einer App oder offline gemacht haben könntest), um so ein erstaunlich detailliertes Profil von Dir zu erstellen.
Da sich die Werbung immer mehr in den mobilen Bereich verlagert, sollte sich jeder Gedanken um die Daten machen, die er über seine Mobilgeräte teilt. Forscher an der University of Washington haben herausgefunden, dass die Tracking-Funktionen mobiler Werbenetzwerke für äußerst gezielte Überwachung manipuliert werden können.
Um sich vor aufdringlichen Werbeanzeigen und die Privatsphäre verletzenden Trackern zu schützen (und natürlich auch, um schneller zu surfen und Daten zu sparen), nutzen immer mehr Menschen den Privaten Modus ihres Browsers und Werbeblocker. Laut PageFair, einer Firma, die Unternehmen dabei hilft, verlorene Werbeeinnahmen auszugleichen, sind inzwischen auf 615 Millionen Geräten Werbeblocker installiert. Doch während sie auf der einen Seite den Nutzern das geben, was sie wollen – nämlich weniger Werbung –, stellen sie für diejenigen, die Online-Inhalte kreieren, auch ein Dilemma dar, indem sie deren Einnahmen drastisch reduzieren.
Es wird noch jahrelang darüber diskutiert werden, wie man einerseits die Privatsphäre der Nutzer wahren und Werbeanzeigen auf unaufdringliche Art gestalten und andererseits Online-Anbietern die Möglichkeiten geben kann, erfolgreich zu sein. In der Zwischenzeit liegt es an denjenigen, die digitale Inhalte schaffen, und den Verbrauchern, herauszufinden, was ein lebendiges und gesundes Internet für alle ausmacht.
Weitere Links
Me and My Shadow (Ich und mein Schatten), Tactical Technology Collective
Mother in a click: pregnancy as a jackpot for the Datasucker, Chupadados, 2018
Informieren Sie sich über Aktivitätenverfolgung, Mozilla
Big data meets Big Brother as China moves to rate its citizens (Wenn „Big Data“ auf „Big Brother“ trifft: China bewertet seine Bürger), WIRED (2017)