Statt die wichtige Chance zu verschenken, das europäische Urheberrecht ins digitale Zeitalter zu übersetzen, sollten wir die problematischsten Absätze des Richtlinienvorschlags der Europäischen Kommission streichen.
Eine Reform könnte durchaus sinnvoll sein. Das europäische Urheberrecht stammt noch aus der Zeit vor dem Internet und ist somit hoffnungslos veraltet. Doch einige der vorgeschlagenen Ideen könnten sich als schädlich für die Internetgesundheit oder sogar als gefährlich erweisen.
Ein maßvoller und ausgewogener Urheberschutz kann sich durchaus positiv auswirken: auf wissenschaftliche und technische Innovationen, die freie Meinungsäußerung und die Kreativität. Bedauerlicherweise scheinen die Interessen der großen Rechteinhaber und Medienkonzerne manchmal wichtiger zu sein als die Rechte der Bürger.
Hier ein Beispiel aus dem Richtlinienvorschlag: Die Verlinkung von Nachrichteninhalten mit einer Überschrift und einem Textauszug (wie bei den meisten größeren Suchmaschinen und Social-Media-Plattformen üblich) fiele unter das Urheberrecht und könnte nur mit der Erlaubnis des Herausgebers veröffentlicht werden.
Für die Offenheit des Internets ist es jedoch wichtig, Artikel und Webseiten uneingeschränkt verlinken zu können.
Ein anderer Teil des Vorschlags will Websites dazu verpflichten, alle Nutzerinhalte (einschließlich Musik, Videos, Bilder und mehr) auf Urheberrechtsverletzungen zu überprüfen und zu filtern. Das gilt eventuell sogar dann, wenn Du Inhalte nur mit Deinen Freunden teilst. Sollte diese Art von Software zum Einsatz kommen, hätte das unbeabsichtigte Folgen: Wenn ihre Filter zum Beispiel auch Parodien und satirische Inhalte erfassen, wäre die Meinungsfreiheit eingeschränkt.
Das würde „vermittelnden Instanzen“ im Internet – etwa Wikipedia, Github, eBay oder DeviantArt – ihren Haftungsausschluss rauben. Dieser ist jedoch wichtig für die Freiheit im Netz.
Der Vorschlag geht sogar noch weiter: Nur Angehörige von Forschungseinrichtungen sollen beim Durchforsten großer Datenmengen und Textinhalten von den Urheberrechtsbestimmungen ausgenommen sein. Das bedeutet, dass kein Journalist oder Bibliothekar, keine Interessenvertretung und kein einzelner Bürger an größeren Datenmengen forschen könnte.
Das widerspricht allem, was ein gesundes Internet durch die Bereitstellung von Daten und die weite Verbreitung von Informationen im Netz ermöglichen könnte.
Die Verhandlungen über diesen Vorschlag laufen noch. Die gute Nachricht ist also, dass die Bürger noch reichlich Gelegenheit haben, Bedenken zu äußern und so ein Gegengewicht zu Industrielobbyisten und Spitzenpolitikern herzustellen, für die das Internet sozusagen immer noch „Neuland“ ist.
An der Entstehung eines EU-Gesetzes wirken 28 Länder in 24 Sprachen mit, und der politische Diskurs in Brüssel findet etwas abseits der öffentlichen Debatten in den einzelnen Ländern statt.
Erfreulicherweise haben sich Bündnisse geformt: Aktivisten für digitale Rechte, Bibliothekare, Ersteller von Online-Inhalten, Start-Ups, Forscher, Lehrer und Internetnutzer arbeiten zusammen, um sicherzustellen, dass die Urheberrechtsreform nicht scheitert. Falls sich ein flexibler, zukunftsgerichteter Gesetzesvorschlag für das europäische Urheberrecht durchsetzt, wird das nicht nur Innovationen, Kreativität und die freie Meinungsäußerung fördern – es könnte sogar weltweit neue Maßstäbe setzen.
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