Wer kontrolliert das Internet?

Dezentralisierung bedeutet, dass das Internet von vielen kontrolliert wird. Es besteht aus Millionen von Geräten, die über ein offenes Netzwerk miteinander verbunden sind. Kein einzelner Akteur kann es besitzen, es kontrollieren oder es komplett abschalten.

Das Internet und das World Wide Web bilden weiterhin das größte dezentrale Kommunikationssystem, das die Menschheit je gesehen hat. Diese Tatsache spielte eine große Rolle bei dessen Entwicklung: Die Erfinder des Webs wollten, dass es allen Menschen möglich ist, Informationen zu erstellen und zu erhalten.

Doch die Vorteile des dezentralen Internets schwinden dahin. Wenn wir unsere Aktivitäten online auf ein paar wenige soziale Netzwerke und Messenger-Apps beschränken – wie es Milliarden von uns tun – dann beschränkt dies die Weise, auf die wir das Internet erleben. Somit werden wir nur auf Inhalte aufmerksam gemacht, die in Suchergebnissen und Social-Media-Streams unseren Vorlieben entsprechen. Hier sind wir Konsumenten und keine Schöpfer.

Das Internet bleibt dezentral, doch die Dinge, die wir täglich darin tun, werden von ein paar wenigen globalen Technologie-Giganten kontrolliert. Diese Unternehmen sehen immer mehr aus wie die Monopole der Vergangenheit. Wenn man die Bedeutung des Internets in unseren Leben in Betracht zieht, ist dies alles andere als gesund.

Zu Grafiken springen

Gesund

Auch außerhalb der sogenannten „Walled Gardens“, den umzäunten Gärten der Social Media, gedeiht das Web. Als Folge des dezentralen Domain Name Systems (DNS), das alle IP-Adressen katalogisiert, gibt es über 1 Milliarde Websites. Rund 27% dieser Websites werden von WordPress betrieben, einem Open-Source-CMS, das man kostenfrei und auch ohne Programmierkenntnisse einfach nutzen kann.

Die Gleichbehandlung aller Online-Inhalte ist eines der Grundprinzipien des Internets und wird als „Netzneutralität“ bezeichnet. Aus Profitgier würden viele Telefongesellschaften gerne für die verschiedenen Arten von Inhalten unterschiedliche Preise verlangen und variierende Internetgeschwindigkeiten anbieten, was Nutzer davon abhalten würde, ihre Online-Erlebnisse frei zu wählen. Deshalb ist die Tatsache, dass in vielen Ländern – so auch in Indien, den USA und der EU – Gesetze zum Schutz der Netzneutralität entstanden sind, gesund für das Internet.

Auf politischer Ebene ist es erwähnenswert, dass die amerikanische Regierung 2016 die Kontrolle über das Domain Name System (DNS) des Internets abgegeben hat. Offiziell übertrug sie diese Aufsichtsrolle an die gemeinnützige ICANN, die Non-Profit-Organisationen und Regierungen weltweit vertritt. Die Übergabe war größtenteils eine Formalität, stellt aber auch ein weltweites Bekenntnis zum dezentralen Web dar.

Auf technologischer Ebene arbeitet eine neue Generation von Software-Entwicklern an Applikationen, die Dezentralisierung nähren und belohnen. Dabei handelt es sich beispielsweise um Peer-to-Peer-Computernetzwerke, in denen „Blockchains“ – die Technologie hinter der Kryptowährung Bitcoin – für Transaktionen mit Geld, Gütern und Dienstleistungen genutzt werden. So wird es vielleicht auch eines Tages ein Internet geben, dass keine Webserver benötigt.

Ungesund

Nur eine kleine Anzahl von Unternehmen – dazu gehören Facebook, Google, Apple, Tencent, AliBaba und Amazon – dominieren die globale Internetbranche. Einerseits versorgen diese Unternehmen Milliarden von Menschen mit unglaublich wertvollen Dienstleistungen. Andererseits sichern sich diese Unternehmen auch so viel Kontrolle über die Kommunikation und den Reichtum der Menschen wie niemals zuvor in der Geschichte der Menschheit.

Denken Sie nur an Smartphones – ein Markt, der lediglich von zwei Unternehmen, nämlich Google (Android) und Apple (iOS), beherrscht wird. Vom Betriebssystem der Telefone bis hin zu den Applikationen, die man in ihren App-Stores kaufen kann – alles wird letztendlich von den zwei Unternehmen kontrolliert. Und wenn wir schon mal bei Apps sind: Die weltweite App-Wirtschaft konzentriert sich auf nur ein paar Länder mit hohem Einkommen (95% des Marktwerts stammen gerade mal aus 10 Ländern). Schwellenländer machen dabei nur 1% aus.

Die schrittweise Übernahme des Internets durch Technologie-Giganten treibt die Marktkonsolidierung voran. So kontrolliert Facebook beispielsweise seit dem Kauf von WhatsApp und Instagram, zusätzlich zum hauseigenen Facebook-Messenger, in fast allen Ländern den Großteil des Messaging-Markts, die einzige Ausnahme dabei ist China.

In China ist WeChat der dominierende Marktführer. In den großen Städten wird es von mehr als 90% der mobilen Internet-Nutzer für das Senden von Nachrichten verwendet. WeChat wird auch zum Dating, Banking, Taxi rufen, Shoppen und vieles mehr verwendet. Es ist ein erschreckendes Ausmaß an Zentralisierung, da die App beinahe alles, was man sonst im dezentralen Web tun würde, ersetzt. Von solch einem nahtlosen Erlebnis träumen auch andere App-Entwickler. Für das Internet ist dies allerdings gar nicht gesund. Es zerstört den Wettbewerb und gibt einem einzigen Unternehmen tiefgreifende Kenntnisse über das Verhalten und die Vorlieben all seiner Nutzern.

Sie sind noch nicht besorgt? Auch dort, wo Internetfreiheit zu existieren scheint — denken wir doch mal an Edward Snowden –, gibt es viele Technologieunternehmen, die den Nachfragen der Regierung nach privaten Informationen nur allzu bereitwillig Folge leisten.

Prognose

Das dezentrale Web gedeiht noch nach gewissen Maßstäben. Dennoch befinden wir uns auf dem Weg in eine Zukunft, in der die sogenannten vertikalen Silos von nur ein paar großen Akteuren kontrolliert werden.

Um das Internet gesünder zu machen, müssen wir Wege finden, um dessen Dezentralisierung zu verstärken. Wir benötigen einen gesunden Wettbewerb, damit Unternehmer erfolgreich sein können und Nutzer bedeutungsvolle Auswahlmöglichkeiten bekommen. Doch veraltete Wettbewerbsrichtlinien und rechtliche Strukturen sind nicht darauf ausgelegt, die heutige Dynamik in ihrer Fülle zu bewältigen. Technische Lösungsansätze könnten diesbezüglich zu den effektiveren gehören.

Wir erwarten heutzutage nicht, dass ein bestimmter Typ von Video-Chat-Software zusammen mit einer anderen verwendet werden kann. Dies wäre nur möglich, wenn die gesamte Software in diesem Bereich den gleichen offenen Prinzipien folgen würde. Es könnte Richtlinien oder empfohlene Praktiken zur Regelung von Standards geben, die vielfältigere Märkte unterstützen würden. Neue Erfinder könnten Software entwickeln, die mit den Programmen genutzt werden können, die alle bereits besitzen.

Zu entscheiden, dass alle Nutzer dazu in der Lage sein sollten, ihre persönlichen Daten von einer Online-Plattform zur anderen zu bewegen, wäre ein weiteres Beispiel, wie man die Handlungsfreiheit und Auswahlmöglichkeiten der Internet-Nutzer fördern könnte.

Wenn wir sicherstellen wollen, dass das Internet eine öffentliche Ressource bleibt, die gesund und uns allen zugänglich ist – und dass es nicht nur von einer kleinen Handvoll Regierungen und Unternehmen kontrolliert wird – ist Dezentralisierung ausschlaggebend. Sollten wir dies in die Tat umsetzen können, stehen die Chancen für ein Internet, das weiterhin eine treibende Kraft für menschliche Freiheit und Kreativität bleibt, gut. Sollten wir es nicht schaffen, wird die Zukunft aller Wahrscheinlichkeit nach dystopischer aussehen.

Empfohlene Artikel

Bessere Blockchain-Anwendungen entwickeln

Eine neue Generation von Software-Entwicklern erweitert die Möglichkeiten für ein nutzergesteuertes Internet.

Mehr erfahren icon-arrow-right
Musikern die Kontrolle über ihre Musik geben

CASH Music ist eine gemeinnützige Alternative zu den großen Online-Vertrieben der Musikindustrie

Mehr erfahren icon-arrow-right

Data visuals

Netzneutralität

Gleichberechtigter Zugang zu Online-Inhalten

Gesetze zur “Netzneutralität” nehmen weltweit zu.

Netzneutralität bezeichnet das Prinzip nach dem alle Websites für alle Nutzer unter den gleichen Bedingungen angezeigt werden. Wenn Internetanbieter den Zugang zu bestimmten Sites oder Apps einschränken oder bevorzugen (indem sie beispielsweise Geld verlangen), kann dies für Nutzer eine geringere Auswahl zur Folge haben und kleinen Websites Probleme bereiten. Es werden Gesetze benötigt, die das offene Internet beschützen.

Suchmaschinen

Marktanteile am Suchen

Auf Google gibt es mehr Sucheingaben als auf allen anderen Suchmaschinen zusammen.

Mit einem Marktanteil von 93,76% hat Google die Nase am weitesten vorne, wenn es um Mobiltelefone geht. In Sachen Desktops sieht der Markt etwas vielseitiger aus. Dennoch ist es Google, worüber die meisten Menschen das Web erkunden. Diese Tatsache verleiht dem Unternehmen einen unübertroffenen Vorteil bei dem Verkauf von Online-Werbung, die den Menschen basierend auf persönlichen Interessen Dinge anbietet.

Marktanteil Desktop-Suchmaschinen

Marktanteil Mobiler/Tablet-Suchmaschinen

Soziale Netzwerke

Konzentration von Eigentum

Facebook hat von allen sozialen Netzwerken die meisten aktiven Nutzer: 1,7 Milliarden weltweit.

Netzwerke wie Facebook, WhatsApp und WeChat haben wichtige soziale Funktionen, die die Menschen sehr wertschätzen. Doch sie sind größtenteils abgeschlossene Bereiche, „Walled Gardens“, die von einer handvoll Unternehmen kontrolliert werden und die somit überproportionalen Einfluss darauf haben, was Menschen online sehen und tun können.

Internetbrowser

Marktanteile an Browsern

Google Chrome dominiert den Browser-Markt.

62% der Nutzer verwenden Chrome auf Desktop-Computern, 15% von ihnen nutzen Firefox. Auf Mobiltelefonen liegen Google Chrome und Apples Safari an der Spitze. Der Browser ist der zentrale Zugang zum Web. Es ist also wichtig, dass es einen Wettbewerb, sowie Optionen gibt, die auf Werten, wie Auswahlmöglichkeiten und Transparenz aufbauen.

Marktanteile Desktop-Browser

Marktanteile Mobiler/Tablet-Browser

avatar